Im Herbst 2017 jährt sich zum 100. Mal die Russische Oktoberrevolution. Mit ihr wurde das – wie Karl Marx und Friedrich Engels es 1848 im Kommunistischen Manifest formuliert hatten – „Gespenst des Kommunismus“, das in Europa umging, erstmals zu einer staatlichen Macht, die das 20. Jahrhundert wesentlich mitgeprägt hat. Dieses Ereignis nimmt das Kunstfest Weimar in diesem Jahr zum Anlass, sich künstlerisch mit den Erbschaften und Spuren des Kommunismus auseinanderzusetzen. In diesem Rahmen haben die Professur Experimentelles Radio und die Professur Denkmalpflege & Baugeschichte der Bauhaus-Universität Weimar in einem Kooperationsprojekt mit dem Kunstfest einen Audiowalk erstellt, der sich auf Spurensuche begibt nach Zeugnissen dieses fundamentalen Umbruchs und seiner Folgen in der Stadt Weimar.
Der Audiowalk ergründet, an welchen Bauten und Orten das eigentlich körperlose „Gespenst“ des Kommunismus, in der Klassikerstadt greifbar wird. Zwei Zeitschichten sind dabei besonders relevant: zum einen die Umbruchphase um 1918, als die revolutionäre Bewegung auch Weimar erreichte, zum anderen die DDR-Zeit, die weitaus stärkere bauliche Spuren hinterlassen hat. Die Spuren sind höchst unterschiedlich: mal baulich fassbar als Denkmal oder Gebäude, mal nur als verblichene Wahlkampfaufforderung an einer Hauswand. Mitunter sind die Spuren immateriell und nur als Geschichten greifbar, die an Weimarer Orten stattgefunden haben.
Im Zentrum der Arbeit stand die Aufgabe, die Inhalte dramaturgisch so zu gestalten, dass für den Hörer ein Mehrwert entsteht, der über das Lesen eines Textes über diesen Ort hinausreicht. Der Audiowalk soll nicht nur informieren, sondern – durch die Verknüpfung der Inhalte mit Geschichten – eine sinnliche Erfahrung aus dem Besuch der Stationen machen.
Der Audiowalk umfasst insgesamt zwölf Tracks, bestehend aus einer Einführung und elf Orten, die fußläufig gut zu erreichen sind. Die Audio-Tour führt vom Volkshaus, in dem Rosa Luxemburg, Karl Liebknecht und andere Große der Arbeiterbewegung auftraten, über das das markante Studentenwohnheim „Langer Jakob“, zu einem kleinen Kiosk am Sophienplatz und über den sowjetischen Soldatenfriedhof zu einem kaum beachteten historischen Graffiti am Stadtring.
Die einzelnen Tracks des Audiowalks wurden individuell komponiert. Manche Stücke sind aufgebaut wie ein Radiofeature mit kunstvoller Verwebung von O-Ton, Klang und erzählenden Stimmen, die uns von Schauspieler*innen aus dem Deutschen Nationaltheater Weimar „geliehen“ wurden. Andere Beiträge bewegen sich hingegen zwischen Klangkomposition, O-Ton Collage und Hörspiel. Dies sorgt für eine spannende Abwechslung in den zwölf „kommunistischen“ (Hör-)Spuren, die kurzweilig unterhalten und dabei Aspekte der Weimarer Geschichte aufgreifen, die sonst hinter Goethe und Schiller, Gropius und Buchenwald verborgen bleiben.